Martial : kaluwi

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  Martial-Übersetzungen

      copyright by Karl Wilhelm

I.19

Ich weiß doch, Aelia, du hattest vier Zähne.
Durch zweimal Husten verlorst du je zwei.
Jetzt kannst du immerfort sorgenfrei husten.
Schon der dritte Husten hat nichts mehr zu tun.

I.33

Allein weint Gellia nicht um den toten Vater.
Sobald jemand da ist, kullern die Tränen.
Gellia, das ist nicht Trauer, wenn du dafür Lob willst.
Zeugen braucht man nicht für richtigen Schmerz.

I.35

Dass ich unmoralische Verse schreibe,
die in der Schule der Lehrer nicht vorliest,
beklagst du, Cornelius: doch dieses Büchlein
kann, genau wie der Mann seiner Gattin,
keine Freude bereiten ohne Penetration.
Wie soll ich von Hochzeitsfreuden berichten
ohne Hochzeitsfreudenvokabular?
Wer wird die Floralia anziehn und
Nutten bekleiden mit Anstand und Zucht?
Dieses Gesetz gilt für spaßige Verse:
wenn sie nicht jucken, sind sie nicht gut.
Leg also ab deine Strenge, bitte,
nimm es als Spaß und als Spiel
und kastriere mir nicht meine Verse!
Nichts so absurd wie ein penisloser Priap.

I.38

Das Buch, aus dem du zitierst, Fidentinus, ist meins.
Sobald du es schlecht wiedergibst, wird es deins.

I.42

Als Portia vom Tod ihres Gatten Brutus hörte und im Schmerz
den Dolch verlangte, den man ihr weggenommen, sprach sie:
„Wisst ihr immer noch nicht, dass man niemandem den Tod verwehren kann?
Ich dachte, mein Vater hätte euch das mit seinem Schicksal gelehrt.“
Sprachs und trank mit gieriger Kehle brennende Asche.
Nehmt ihn ihr nur weg, den Dolch, ihr Idioten!

I.72

Du glaubst, dass du durch meine Verse ein Dichter wirst,
Fidentinus, und möchtest als solcher auch gelten.
Auf diese Weise käm Aegle mit gekauften Zähnen
aus Knochen und Elfenbein zum eignen Gebiss.
So käme Lycoris, die schwarz wie die Brombeer,
daher wie mit Bleiweiß geschminkt.
Auf die Weise, wie du ein Dichter bist,
bist auch, trotz Glatze, ein langhaariger Tramp.

I.75

Wer dem Linus lieber die Hälfte schenkt als alles leiht,
der möcht' sich halt die Hälfte spar'n.

I.79

Immer führst du Prozesse und machst du, Attalus, Sachen.
Gibt’s was zu tun oder nicht, irgendwas treibst du stets.
Wenn’s an Prozessen und Sachen fehlt, treibst du, Attalus, Mulis.
Wenn du mal gar nicht weißt, was du tun sollst, tu dir was an!

I.84

Quirinalis glaubt, er brauche keine Frau,
obwohl er gerne Söhne hätte, und findet
einen Weg: er f.... die Sklavinnen,
füllt's Haus mit selbstgemachten Rittern.
Ein echter Hausvater, unser Quirinalis.

I.89

Cinna, immer schwätzt du allen ins Ohr,
auch das, was jeder hören darf.
Du kicherst ins Ohr, du schimpfst und klagst und heulst,
du singst ins Ohr, du schweigst, du urteilst und schreist.
So sehr liegt diese Krankheit dir im Blut,
dass du sogar ins Ohr den Kaiser preist!

I.107

Oftmals sagst du, lieber Lucius Iulius, mir:
„Faulpelz, schreib mal was Großes!“
Gönne mir Ruhe, aber so wie dereinst Maecenas
seinen Freunden Vergil und Horaz.
Ich würd’ zu verfassen suchen Werke von Bestand
Und meinen Namen zu retten vorm Feuertod. –
Stiere tragen nicht gerne das Joch auf fruchtlose Felder.
Fette Böden ermüden - die Arbeit macht aber Spaß!

II.7

Du sprichst toll, Atticus, du kannst toll plädieren,
als Chronist und als Dichter bist du ganz toll,
du schreibst tolle Stücke, toll Epigramme,
bist ein toller Gelehrter, als Astrologe ganz toll,
du singst toll und, Atticus, tanzt richtig toll,
du spielst toll die Lyra und auch mit dem Ball.
Da du alles toll kannst, aber nichts wirklich gut,
weißt du, was du für mich bist? - Eine riesengroße Flasche!

II.27

Hör nur, wie Selius schwärmt, damit man ihn einlädt,
egal ob man Dichter oder Rechtsanwalt ist:
"Super! Bwah! Hey Mann! Saustark! Geil! Mensch, klasse!" --
"Schon gut, das Essen ist fertig, halt's Maul!"

II.65

Was sehen wir dich, Saleianus, in trauriger Stimmung?
„Kein guter Grund?“ sagst du, „meine Gattin ist tot.“
O schlimmes Verbrechen des Schicksals! O schreckliches Unglück!
Secundilla ist tot? Secundilla, die reiche?
Die dir eine Mitgift von einer Million hat gebracht?
Ach bliebe dir das, Saleianus, erspart!

II.66

Ein Ringlein bloß war verrutscht in ihrer Haarwelt,
weil eine Nadel nicht gut genug hielt.
Das rächte Lalage mit dem Spiegel, in dem sie’s gesehen,
und schlug die Friseuse zu Boden wegen verrückter Frisur.
Gib endlich auf, Lalage, dein tristes Haar zu frisieren,
kein Mädchen lege an deinen Dummkopf mehr Hand.
Der Salamander soll wüten, rasendes Messer schere ihn kahl,
damit dein Aussehen endlich den Spiegel verdient.

II.67

Wo immer, Postumus, ich dich treffe, da rufst du
sofort und sagst als erstes: Wie geht’s?
Selbst wenn wir uns zehnmal pro Stunde begegnen,
sagst du „Wie geht’s?“. - Ich glaube, dir geht’s nicht gut, Postumus.

II.69

Du sagst, du lässt dich nur ungern zum Essen bitten.
Ich fress' einen Besen, Classicus, wenn du nicht lügst.
Sogar Apicius ging mit Freude zum Gastmahl;
zu Hause speisen war ihm zu trist.
Classicus, wenn du nicht magst, wieso gehst du?
„Ich muss“, sagst du, „wirklich! Selius auch!“
Wie? Opulentus lädt dich, Classicus, zum klasse Mahl?
Hmm ... wo bleiben die großen Worte? Sei ein Mann und sag' ab!

II.80

Auf der Flucht vor dem Feind beging unser Fannius Selbstmord.
Ist das nicht, frag ich mich, blöd: zu sterben, damit man nicht stirbt?

II.90

Quintilian, du oberster Lehrer der unruhigen Jugend,
du Stolz der römischen Rede, Quintilian,
verzeih mir, dass ich, zwar arm, aber nicht zu alt,
es eilig habe zu leben, denn niemand fängt zu früh damit an.
Aufschieben soll es, wer seine Väter zu übertreffen sucht
und wer sein Atrium mit Ahnenbildern pflastert.
Mir reicht ein Herd und ein Haus, das Ruß verträgt,
eine fließende Quelle, eine ungemähte Wiese.
Mein Sklave soll zufrieden sein, die Gattin nicht zu gescheit,
die Nacht bringe Schlaf, der Tag keinen Streit.

III.12

Eine super Salbe botest du deinen Gästen
gestern, doch es gab nichts zu essen.
Das ist ja zum Lachen: hungern und duften!
Wer nicht isst, aber einbalsamiert wird,
- verzeih mir, Fabullus - ist tot!

III.26

Deine Landgüter hast du für dich und, Candidus, auch dein Geld,
dein Gold gehört nur dir und deine kostbaren Gefäße,
du hast den Massikerwein allein und auch den Opimius-Cäcuber,
deine Seele ist ausschließlich dein und auch dein Verstand.
Alles besitzt du allein - glaubst du, ich sehe das anders? -
Deine Ehefrau, Candidus, teilst du jedoch mit dem Volk.

III.38

Welcher Grund, welche Hoffnung treibt dich, Sextus, nach Rom?
Was willst du? Was hast du hier vor? So sprich! -
„Beredter als Cicero trete ich auf vor Gericht,“ sagst du,
„niemand hier ist mir gewachsen, auf jedem Forum!“ -
Civis war Anwalt, und auch Atestinus – du kennst sie –
keiner zahlte davon die Miete. -
„Wenn da nichts rausspringt, dann schreib ich Gedichte.
‚Wie Vergil’ wirst du sagen, wenn du sie hörst.“ -
Du spinnst! Die du mit dem dünnem Mantel hier rumlaufen siehst,
sind lauter Vergile und kleine Ovide. -
„Dann such ich die reichen Häuser auf.“ - Das nährt vielleicht drei
oder vier. Der Rest leidet leichenblass Hunger. -
„Gib mir 'nen Tip, denn sicher ist: ich will nach Rom !“ -
Wenn du gut bist, Sextus, kannst du vielleicht überleben.

III.42

Laetinus, du gebärdest dich jung mit gefärbten Haaren,
eben noch schwanenweiß, plötzlich ein Rabe.
Leg uns nur rein - Proserpina kennt dich:
Wart nur, sie zieht dir die Maske vom Grind.

III.44

Dass niemand dir gerne begegnet,
dass da, wo du auftauchst, ein Fliehen beginnt,
warum, Ligurinus, es ringsherum leer wird,
du kennst nicht den Grund? Du hast zuviel Poesie!
Das ist ein gefährlicher Fehler.
Die Tigerin bei Gefahr für die Jungen,
die giftige Schlange im glühenden Sand,
der Skorpion löst weit weniger Furcht aus.
Denn wer erträgt solch furchtbare Qualen?
Du trägst vor im Stehen, du trägst vor im Sitzen,
du trägst vor im Laufen und trägst vor am Kloo.
Ich flieh in die Thermen mit dir in den Ohren.
Das Schwimmen verwehrst du im Bad.
In Eile zum Gastmahl werd’ ich gestoppt.
Beim Gelage jagst du mich von meinem Platz.
Erschöpft nick’ ich ein, du entreisst mich dem Schlummer! -
Willst du wissen, wie schlimm dein Problem ist?
Obwohl du nichts anstellst, packt mich schiere Panik vor dir!

III.50

Du lädst zum Essen aus einem Grund, Ligurinus:
damit du deine Verse vortragen kannst.
Kaum ziehe ich meine Schuh' aus, da bringt man
ein riesiges Buch zwischen Ketchup und Grünzeug.
Der erste Gang wartet, da kommt dann gleich noch eins,
und ehe Gang zwei man uns vorsetzt, folgt schon das dritte.
Und dann liest du Buch Nummer vier und dann fünf.
Der Eber wird aufgetragen, das Fleisch ist schon schlecht! -
Wenn du nicht wenigstens Fisch in's Gedichtpapier einrollst,
dann speisest du bald zu Hause allein!

III.55

Wo immer du hinkommst, da duftet's nach Cosmus,
wie wenn Zimt-Essenz fließt aus zerbrochnem Gefäß.
Ach Gellia, lass diese modischen Faxen,
denn so, glaub ich, riecht auch mein Köter nicht schlecht.

III.61

Was du erbittest, sagst du, ist nichts, schlimmer Cinna.
Wenn du nichts willst, schlag ich, Cinna, nichts ab.

III.69

Dass du alle Epigramme mit keuschen Worten verfasst
Und dass darin nicht ein einziger Schwanz ist,
bewundre und preise ich. Du bist ein Heiliger. -
Bei mir jedoch gibt es Ausschweifung auf jeder Seite.
Das lesen die geilen Typen und unkomplizierten Girls,
ebenso der reifere Mann mit der aktiven Freundin.
Doch deine hehren, heiligen Worte, Cosconius,
sind was für Knaben und Jungfern.

IV.44

Hier der Vesuv war neulich noch grün von schattigem Weinlaub,
hier hat ein edler Tropfen die Fässer gefüllt,
diesen Berg liebte Bacchus mehr als die Hügel des Nysa,
es tanzten und sangen die Satyrn noch kürzlich im Chor.
Dies Haus lag Venus näher am Herzen als Sparta,
Herkules gab seinen Namen dem Ort. -
All das liegt jetzt verbrannt und versunken in trister Asche.
Die Götter selbst wünschen, sie hätten so etwas nicht gekonnt.

IV.51

Als du, Caecilianus, keine sechstausend hattest,
bist du per Sechser-Sänfte weit herumgereist.
Nachdem eine blinde Göttin zwei Millionen dir schenkte,
und dir die Taschen platzten vor Geld, gingst du zu Fuß.
Was ich dir wünsche für lobenswertes Betragen?
Die Götter geben dir den Tragestuhl zurück!

IV.53

Der Alte mit Stab und Ranzen, den du, Cosmus,
oft vor dem Neuen Tempel und auch im Innern
Minervas siehst, dem das graue Haar vor
Dreck starrt und ein ekliger Bart vorn herabhängt,
dessen Lager ein schmieriger Mantel als Decke teilt,
dem, wenn er bellt, die Menge die Brocken hinwirft,
du glaubst, der folgt dem Diogenes nach - so wie er aussieht?
Irrtum, Cosmus, Kyniker ist der nicht. – Der zählt als Hund.

IV.56

Weil du Greisen und Witwen Riesengeschenke machst,
soll ich dich, Gargilianus, spendabel preisen?
Niemand handelt schmieriger als du allein.
Deine Gaben kannst du auch Hinterhalt nennen.
So lauert der fiese Haken auf gierigen Fisch,
so täuscht der Köder das tumbe Wild. -
Ich könnte dir zeigen, was großzügig geben bedeutet,
wenn du's nicht weißt, Gargilianus: Schenk mal was mir!

IV.81

Kaum hatte Fabulla das Epigramm gelesen,
wo ich beklage, dass junge Frauen nie Nein sagen,
da gab sie dem interessierten lover gleich
drei Körbe hintereinand'. - "Nun sei mal nicht so, Fabulla.
Neinsagen ist schon ok, doch bitteschön nicht immerzu!"

IV.83

Wenn alles läuft, o Naevolus, bist du ein Scheusal.
Hast du Probleme, benimmst du dich gut!
Läuft's gut, grüßt du niemanden, lachst über jeden
und alle sind Sklaven für dich, oder nicht existent!
Wenn's schlecht geht, sagst du "Herr" und "Gebieter"
und lädst gar zum Essen ein! - Bitte, Naevolus, hab ein Problem!

V.9

Ich fühlte mich nicht wohl, gleich kamst du mich besuchen,
von hundert, Symmachus, Schülern begleitet.
Hundert nordpolkalte Hände haben mich betatscht.
Fieber hatte ich, Symmachus, keins – Fieber habe ich jetzt.

V.12

Wenn Masclion stolz auf seiner Stirn
eine Stange mit schwankenden Gewichtern trägt,
wenn Ninus, der Hüne, mit beiden Armen
sechs oder sieben Knaben stemmt,
dann scheint mir das nicht weiter schwer,
denn Stella, mein Freund, hat an jedem
Finger, hüben wie drüben, zehn Frauen!

V.13

Ich bin arm, Callistratus, bin es immer gewesen,
aber als Ritter nicht unbekannt und nicht verschrien.
Überall liest man mich häufig und sagt „Schau, das isser!“
Was der Tod nur wenigen gibt, bekam ich vom Leben. -
Deiner Villa Dach nun ruht auf einhundert Säulen,
Geld des Freigelassenen birgt dein Tresor.
Dir dient das weite Land von Syene am Nil
Und das gallische Parma schert deine zahllose Herde.
Das sind wir. - Doch was ich bin, kannst du niemals werden.
Was du bist, kann jeder sein hier im Volk.

V.19

Wenn es Wahrheit gibt, o höchster Caesar,
dann übertrifft deine Zeit alle and’ren.
Wann sah’n wir Triumphe würdiger?
Taten je die Götter des Palatin mehr?
Wer macht’ es schöner, größer, das Rom des Mars?
Welcher Kaiser hielt die Freiheit ebenso hoch?
Dennoch gibt es einen Fehler, keinen leichten:
dass der Arme nutzlos Dienste tut!
Wer macht alten treuen Freunden Geschenke?
Wen kann der willige Ritter begleiten?
Verschwendung: Löffel aus mind’rem Silber zu schicken
oder 10 Skrupel Gold an treue Togajünger.
Luxus ist solch ein Geschenk für stolze Patrone.
Der, der Goldstücke gibt, verdient vielleicht die Bezeichnung.
Insofern es diese nicht sind, sei du, o Caesar, ein Freund:
keine trefflich’re Tugend des Prinzeps! -
Lang schon lächelt Germanicus weise, ohne ein Wort,
weil ich nicht ganz selbstlos Rat ihm erteile.

V.20

Wenn ich, lieber Martial, mit dir
sorgenfreie Tage genießen könnt’,
wenn Muße zur Verfügung ständ’
und wir für’s richtige Leben hätten Zeit:
weder Hallen noch Häuser der Reichen,
weder das strenge Gericht noch das öde Forum
noch stolze Statuen würden uns interessiern. -
Ausfahrt, Bücher, Geschichtenerzählen,
Park, Arkaden, Schatten, Brunnen, Thermen,
das wären unsere Wirkungsstätten stets. -
So aber lebt man nicht für sich und spürt,
wie all die gute Zeit verloren geht,
vorbei, vorüber, und doch auf der Rechnung. -
Wer richtig zu leben weiß - was hält den eigentlich auf?

V.32

"Nicht einen Cent hinterließ unser Crispus im Testament
seiner Frau." - "Wen bedachte er dann?" - "Na sich selbst!"

V.33

Ein Anwalt prüft angeblich meine Gedichte: ich weiß nur nicht, welcher!
Wehe, wenn ich's erfahre, Bürschchen, mach dich auf was gefasst!

V.34

Euch empfehle ich dies kleine Mädchen, meine Wonne,
euch, Vater Fronto und meiner Mutter Flaccilla,
damit Erotion sich nicht fürchte vor den schwarzen Schatten
und dem unheimlichen Schlund des Tartarushundes.
Sie hätte erst ihren sechsten Winter erlebt,
wäre sie nicht ebenso viele Tage zuvor gestorben.
Möge sie ausgelassen spielen unter so altehrwürdigem Schutz
und lispelnd meinen Namen plappern.
Kein harter Grund soll ihre zarten Gebeine bedecken
noch seist du, Erde, ihr schwer: denn sie war auch dir keine Last.

V.35

Euclides im schicken Anzug rief aus, dass sein Gut
bei Patras zweihunderttausend bringe pro Jahr,
das andre nahe Korinth noch viel mehr,
und dass er stamme noch von der schönen Leda.
Doch während des Handgemenges mit Leitus, dem Ordner,
fiel auf einmal dem stolzen, edlen, begüterten Ritter
ein gewöhnlicher Schlüssel aus der Tasche heraus. -
Mehr, Fabullus, hat ein Schlüssel niemals eröffnet!

V.56

Lupus, du fragst schon lange besorgt, zu welchem Lehrer
du den Sohn schicken sollst und bittest um Antwort.
Ich rate, er soll alle Sprach- und Literaturlehrer meiden:
er schere sich nicht um die Bücher des Cicero oder Vergils.
Er lasse links liegen Tutilius, den Rechtsanwalt.
Macht er Gedichte, jag ihn davon!
Will er dagegen was Lohnendes lernen,
lass ihn Kithara spielen oder Chorleiter sein.
Wenn der Bub sich schwer tut mit dem Intellekt,
dann soll er Redner werden oder Architekt.

V.58

Morgen wirst du leben, wiederholst du, Postumus, ständig.
Sag mir, wann kommt das Morgen denn?
Wo ist es? Wie weit weg? Wo kann man's erreichen?
Versteckt es sich bei Persern und Armeniern?
Dein Morgen ist so alt wie Priamus und Nestor.
Sag an, wie teuer ist es zu kaufen?
Lebst du morgen? – Heute leben wär’ schon zu spät!
Der weise Mann hat, Postumus, gestern gelebt.

V.63

"Was hältst du" sagst du "Markus, von meinen Büchlein?"
So fragst du, Ponticus, oft mich erregt.
Ich staune, bin überrascht: nichts vollkomm'neres gibt es,
sogar Regulus steht hinter deinem Genie zurück.
"Das merkst du?" sagst du, "der Kaiser meine es gut mit dir,
und Juppiter Capitolinus." - Nein, lieber mit dir!

V.81

Bist du, Aemilianus, erst arm, so wirst du immer arm bleiben.
Reichtum wird heut' nur an Reiche verteilt.

V.83

Du folgst, ich flieh; ich folge, du fliehst. So hab ich mir das vorgestellt.
Ich will nicht, dass du willst, Dindymus. Dein Nichtwollen macht mich an.

VI.17

„Lenin“, Leninger, nennst du dich jetzt.
Das ist peinlich, Lenin, nicht?
Hätt’st du "Wichtig" mal geheißen,
wärst du so nur mehr ein "Wicht".

VI.34

Küss mich, Diadumenos, oft. - “Wie oft?”
fragst du und lässt mich des Meeres Wogen zählen,
die Muscheln am weiten Strand der Ägäis,
die Bienen, die schwärmen auf Kekrops' Berg,
die Hände und Stimmen, die lärmen im vollen Theater,
sobald das Volk das Antlitz des Kaisers erspäht.
Ich will nicht bloß so oft, wie Lesbia küsste den klugen Catull:
Mit wenig bescheidet sich, wer es zu zählen vermag.

VI.40

Keine Frau war dir, Lycoris, vorzuziehn.
Keine kann Glycera heute übertreffen.
Sie wird du sein: du unmöglich sie.
Die Zeit und ich, wir woll'n es so: erst du – jetzt sie!

VI.57

Du täuschst mit Salbe erfundene Haare vor, Phoebus,
deine fettige Glatze bedeckt ein aufgemalter Pelz.
Du brauchst keinen Barbier jemals hinzuzuziehn.
Denn du rasierst dich, Phoebus, besser mit einem Schwamm.

VI.60

Es lobt und liebt und singt mein Rom meine Büchlein,
und ich bin in jeder Tasche, in jeder Hand.
Da wird einer rot! Einer bleich! Einer stutzt! Stinksauer reißt er das Maul auf!
So hab ich’s gern, so mag ich meine Gedichte.

VI.63

Du weißt, dass ein Nimmersatt dich im Visier hat,
du weißt, Marianus, was er von dir will.
Doch machst du ihn testamentarisch zum Erben, du Dummkopf,
und setzt ihn im Wahn an deiner Statt ein!
„Er hat mir so oft was geschenkt!“ - Ja, Geschenke mit Haken!
Der Fisch liebt doch nicht seinen Fischer!
Er wird deinen Tod unter echten Schmerzen beweinen?
Wenn du willst, dass er heult, Marianus, gib nichts!

VI.65 „Du machst Hexameter-Epigramme“, sagt Tucca, weiß ich.
Tucca, das kommt häufig vor und ist nicht verboten.
„Die dauern so lang!“ Auch das ist erlaubt und nicht ganz unüblich.
Wenn du kürzere magst, dann lies halt Zweizeiler.
Ein Vorschlag zur Güte: du darfst lange Epi-
gramme verschmähen – und ich darf sie schreiben.

VI.70

Sechzig Ernten hat Cotta erlebt, Marcianus,
ich glaube, noch zwei mehr.
Dass er mit Fieber im Bett gelegen einen
einzigen Tag, erinnert er sich nicht.
Den Stinkefinger zeigt er dem
Alkon, Dasius und Symmachus.
Wenn man meine Lebensjahre richtig zählt und
abzieht vom Leben, was das hässliche Fieber
oder ernste Schwäche oder schlimme Schmerzen
mitgenommen haben, dann bin ich ein
Säugling und seh aus wie ein alter Mann.
Wer das Leben des Priamus und Nestor
für ein langes hält, Marcianus,
der irrt und täuscht sich gewaltig.
Nicht wer noch nicht gestorben ist,
lebt, sondern der, der gesund ist.

VI.74

Der dort auf dem Ehrenplatz zu Tische liegt,
die dreihaarige Glatze gecremt und gescheitelt,
mit Edelholz stochert im laschen Maul,
der stapelt hoch, Äfulanus: er hat keinen einzigen Zahn.

VI.78

Der berühmte Trinker Phryx war, Aulus,
blind auf einem Auge, auf dem andern krank.
Doktor Heras rät ihm: „Schluss mit Wein!
Wenn du weitertrinkst, siehst gar nichts mehr!“
Lachend spricht zum Auge Phryx „Leb wohl!“
und läßt sich einen Krug voll mischen
und noch mehr. - Das End von der Geschicht?
Phryx säuft Wein - das Auge Gift.

VII.43

Das erste wäre, dass, Cinna, du gibst, was ich verlange:
Die zweite Möglichkeit ist, dass, Cinna, du umgehend ablehnst.
Ich mag den, der gibt, und hasse nicht den, der, Cinna, was ablehnt.
Du aber, Cinna, gibst nichts - und lehnst auch nie etwas ab.

VII.73

Du hast ein Haus am Esquilin und eins am Hügel
der Diana und noch eins im Adligenquartier.
Hier siehst du auf den Tempel der verwitweten Kybele,
dort der Vesta, hier auf's neue, dort auf's alte Heiligtum des Zeus.
Sag, wo kann ich dich besuchen? Sag, wo find ich dich denn nur?
Wer überall ein Haus hat, Maximus, wohnt nirgends.

VII.95

Winter ist und eisiger Dezember,
da hältst du jeden trotzdem auf
mit Küssen in der Kälte überall
und busslst, Linus, ab das ganze Rom.
Hätt' wer dich gewatscht, geprügelt,
könntest du dann Schlimmeres tun?
So kalt küsst mich niemals meine Frau
noch mit zarten Lippen meine Tochter,
aber du - elegant und allzu artig!
Grünlich hängt von deiner Hundeschnauze
Eis, der Bart ist starr und fest,
wie ihn mit krummer Zange der kilikische
Hirte abzwickt dem kinyphischen Bock.
Hundert Cunnilingisten lauf ich lieber in die Arme!
Weniger fürchte ich den frisch kastrierten Priester!
Wenn du also Anstand hast und Scham,
verlege deine winterlichen Küssereien
doch bitte, Linus, auf April!

VIII.3

"Fünf sind genug - zuviel sind Buch sechs und sieben.
Wieso macht, o Muse, das Scherzen noch Spaß?
Hab Anstand, mach Schluss! Viel mehr kann mein Ruf nicht
gewinnen, man liest mich schon allüberall.
Wenn einst Messalas Grabsteine brechen,
Licinius' Marmor zum Staube zerfällt,
wird man mich lesen, nicht wenige Fremde
tragen mein Werk in die Heimat zurück,"
sagte ich - darauf die neunte der Schwestern,
die mit dem Öl über Haar und Gewand:
"Kannst du, oh Dankloser, lassen das Spiel?
Wirst du, in Rente, was besseres tun?
Tragödien dichten aus komischem Stoff, oder
böse Kriege besingen in öder Epos-Manier,
damit dich der heisere Schullehrer hochnäsig vorliest,
der wackere Bub, das erwachsene Mädel dich hasst?
Solches Zeug schreiben die allzu Würdig-Gestrengen
armselig nachts bei Lampenlicht.
Du aber tauche dein Büchlein in Römischen Witz,
auf dass das Leben es les' und erfahre von sich.
Du magst auf der winzigen Flöte spielen. Na und?
Solang sie nur all das Trompetentrara übertönt!"

VIII.12

Ihr fragt, warum ich nicht eine Reiche heiraten will?
Ich will nicht die Frau meiner Ehefrau werden.
Die Gattin sei ihrem Manne untertan, Priscus!
Denn sonst werden Mann und Ehefrau niemals gleich.

VIII.20

Obwohl du jede Nacht an die zweihundert Verse schreibst, Varus,
trägst du nie etwas vor. Du bist ein Trottel - und auch wieder nicht.

VIII.29

Wer Zweizeiler schreibt, will, glaub’ ich, durch Kürze gefallen.
Doch was soll die Kürze bei einem ganzen Buch?

VIII.54

O du schönste, die ist oder je gewesen,
und du gemeinste, die ist oder je gewesen,
Wie wünscht’ ich, Catulla, dass du
weniger schön wärst und dafür treu!

VIII.62

Picens dreht das Blatt, schreibt hinten drauf Epigramme.
Leider dreht sich auch die Muse um.

VIII.69

Du bewunderst, Vacerra, nur alte Poeten
und lobst bloß solche, die tot sind.
Vacerra, ach bitte verzeih, dass ich lieber,
statt dir zu gefallen, noch lebe.

VIII.76

„Sag mir die Wahrheit, Markus, ich bitte dich dringend;
Nichts möch’ ich lieber hören als sie.“
So liegst du mir in den Ohren, wann immer
du Gedichte vorträgst, Gallicus,
oder einen Mandanten verteidigst.
Hart ist es, dass ich dir dieses verweig’re.
Höre, was wahrer ist als die Wahrheit:
Du hörst im Grunde die Wahrheit nicht gern!

IX.6

Als du aus Libyen neulich zurückkamst, Mohammed,
versuchte ich tagelang 'nen Willkommensbesuch.
"Er hat keine Zeit" und "er schläft" war jeweils zu hören.
Nun gut, du pfeifst aufs Willkommen, Mohammed. - Und tschüss!

IX.9

Obwohl du gern auswärts speisest, Cantharus,
schreist du herum und schimpfst und drohst.
Ich ford’re dich auf, leg ab solch herbe Manieren.
Das passt nicht zusammen: Ehrlichkeit und Appetit.

IX.19

Sabellus, du preisest mit dreihundert Versen
das Bad von Ponticus, dem Gourmet.
Willst du zu Tisch, Sabellus, oder ins Bad?

IX.46

Gellius ist stets am Bauen: einmal setzt er Schwellen,
dann schleppt er ein Schloss an und kauft neue Riegel,
repariert und tauscht Fenster, bald diese, bald jene.
Solang er nur baut, tut Gellius alles erdenkliche,
damit er dem geldknappen Freund dies eine
Argument entgegnen kann: „Was willst du? Ich baue!“

IX.70

Cicero sagte einst „O welche Zeit, welche Sitten“,
als Catilina ruchloses Unrecht beging,
Caesar mit blutiger Waffe Pompeius bezwang,
Bürgerblut spritzte auf trauernde Erde.
Du jammerst heute: „O welche Zeit, welche Sitten“!
Wieso denn, Caecilianus? Was passt dir denn nicht?
Kein' Feldherrenwahn und kein Schwertgeklirr' gibt es!
Sicheren Friedens erfreust du dich doch!
Unsere Sitten sind’s nicht, die dir deine Zeit vermiesen,
Caecilianus, sondern die deinen, fürcht' ich!

IX.82

Der Sterndeuter sagte, dass es mit dir bald aus ist.
Munna, ich glaube, da war was dran.
Aus Angst, dass nach deinem Tod was übrigbleibt,
hast du luxuriös dein Erbe verschwendet und zwei
Millionen in knapp einem Jahr durchgebracht.
So ist es, Munna, mit dir in der Tat bald aus!

IX.84

Norbanus, als deine heilige Treue
zu Caesar gegen den sündigen Kämpfer stand,
da durfte ich dichten im Pierischen Schatten
in Freundschaft verbunden mit dir.
Von mir erzählte der vindelikische Raeter dir
Und noch weiter nördlich kannte man mich.
Wie oft hast du mich alten Freund nicht verleugnet:
„Der Dichter ist mein!“ sagtest du „Er ist mein!“ -
Mein Werk, das 2mal 3 Jahre lang du
Vom Leser bekamst, das schenkt dir dein Dichter nun selbst!

IX. 88

Was willst du von uns - ätzender Pauker?
Bei Buben und Mädchen verhasste Visage?
Der Gockel am Mist hat noch nicht gekräht,
da schlägst und brüllst du herum wie wild!
Solchen Krach macht sonst nur das Eisen am Amboss,
tritt für Prominente der Schmied in Aktion.
Erträglicher tobt das Volk in der großen Arena,
wenn es den wackeren Sieger verehrt.
Lass doch bitte die Nachbarn schlafen – wenigstens
morgens – wenig ist besser als gar nicht.
Schick deine Schüler nach Haus! - Oder willst du
Schreihals fürs Maulhalten auch noch Geld?

IX.91

Wenn zum Essen mich bäten auf verschiedene Sterne
hier unser Kaiser, dort Vater Juppiter selbst,
auch wenn die Sterne näher, der Kaiserpalast ferner
läge, gäbe ich folgende Antwort nach oben:
"Sucht euch doch einen, der lieber zu Gast ist beim Donnerer.
Mich hält's auf Erden bei meinem eigenen Zeus."

IX.97

Vor Neid platzt da einer, mein lieber Julius,
weil mich ganz Rom liest, platzt er vor Neid.
Vor Neid zerplatzt er, weil in jeder Versammlung
Auf mich mit dem Finger gezeigt wird, platzt er vor Neid.
Vor Neid zerplatzt er, weil beide Kaiser
Mir das Dreikinderrecht gaben, platzt er vor Neid.
Vor Neid zerplatzt er, weil ich ein Landgut draußen
Und auch ein Stadthaus besitze, platzt er vor Neid.
Vor Neid zerplatzt er, weil ich den Freunden willkommen
Und häufig ihr Gast bin, platzt er vor Neid.
Vor Neid zerplatzt er, weil man mich mag und weil ich gut ankomm’. -
Solls ihn zerreißen, wer immer da platzt vor Neid!

X.9

Mit elfsilbigen Versen und reichlich Witz,
mit Sinn für guten Geschmack,
bin ich, Martial, den Völkern bekannt
- nur kein Neid! – bekannt den Nationen.
Und doch nicht bekannter als Ballack.

X.14

Obwohl ein bequemer Wagen deine livrierten Diener trägt
und libysche Reiter im Staub für dich schwitzen,
obwohl deine weichen Speisesofas nicht nur in Baiae stehen
und deine Sonnencreme das Meer erbleichen lässt,
obwohl dein Kristall vom Setinerwein fast zerspringt
und Venus nicht in besserem Federbett ruht,
liegst du nachts vor der Tür der abweisenden Freundin
und Seufzer brennen unablässig in deiner elenden Brust.
Weißt du, warum es dir schlecht geht, Cotta? Weil es dir gut geht.

X.17

Wenn Schenken für dich Versprechen ohne Geben ist, Gaius,
dann schlage ich dich jetzt mit meinen Gaben.
Du bekommst alles, was der Asturier in Galizien ausgräbt,
alles, was das goldführende Wasser des Tagus so hat,
was immer der schwarze Inder in erythräischen Algen findet,
was immer der Wundervogel im Nest aufbewahrt,
alles, was das gierige Tyrus in Agenors Kessel kocht:
Alles, was alle haben, schenk ich dir hiermit! - Auf deine Art.

X.25

Wenn dir Mucius, der neulich in der Arena
seine Hände frühmorgens ins Feuer legte,
dadurch hart, tapfer und duldsam erschien,
dann bist du ein Schildbürger ohne Verstand.
Wenn einer, das Brandkleid als Alternative, gesagt kriegt
„Verbrenn deine Hand“, da müsst' er schon sagen: „Auf gar keinen Fall!“

X.31

Verkauft hast du gestern 'nen Sklaven für zwölfhundert Mäuse,
Calliodor, damit du nur einmal gut essen gehn kannst.
Vier Pfund Barsch hast du eingekauft als Hauptgang
und Krönung: kein guter Schmaus.
Ich sage es laut, es ist kein Fisch, du Scheusal,
es ist ein Mensch, ein Mensch, den du da verspeist!

X.47

Das, was das Leben schöner macht,
bester Martial, ist dies:
Besitz, geerbt und nicht erworben;
fruchtbarer Boden und Wärme im Herd;
nie ein Verfahren, selten ein Amt und ganz wenig Stress;
geistige Power, Gesundheit im Leib;
ehrliche Klugheit und passende Freunde;
problemloser Umgang; einfache Kost;
Nächte nicht trunken doch sorgenfrei;
Vergnügen im Bett, mit Sitte und Maß;
Schlaf, der die dunklen Nächte verkürzt;
sei gern, was du bist, nichts anderes lieber;
fürchte das Ende nicht, sehn’ es auch nicht herbei!

X.96

Dass ich oft zuviel von fernen Völkern spreche, Avitus,
wundert dich, der ich in Latiums Hauptstadt alt ward, auch
dass ich mich sehn' nach dem goldreichen Tagus, der Heimat Salo,
dem einfachen Land und der Hütte, mit Vorräten voll.
Ich liebe das Land, wo geringer Besitz mich beglückt
und wo in bescheidenem Reichtum man schwelgt.
In Rom hier füttert man Land, dort nährt das Land einen; im Ofen
glimmt hier karges Feuer, dort strahlt er in leuchtender Glut;
Selbst Hunger kost' Geld hier und pleite gehst du am Markt,
dort ist der Tisch mit den Gütern des Landes gedeckt;
hier verschleiß ich vier Togen und mehr jeden Sommer,
dort aber kleidet mich eine vier Herbste hindurch.
So, und nun grüß brav die Schutzherrn, wenn das, was dein Freund
nicht gibt, du von deinem Wohnort, Avitus, bekommst.

XI.6

An den geilen Tagen des Saturn,
wenn der Würfelkönig herrscht,
darf ich eben mal, verrücktes Rom,
so locker vor mich hin dichten?
Du lachst. Ich darf? Hast nix dagegen?
Dann, schnöde Sorgfalt, mach mal Pause!
Ich schreibe auf, was mir so kommt
Und denk nicht weiter drüber nach.
Junge, bringe Wein oder auch zwei,
wie Neros Lieblingsknabe Nero gab,
Dindymus, bring noch mehr!
Denn nüchtern dichte ich recht schlecht!
Mit Wein so gut wie keiner!
Küss mich nun wie einst Catull
So oft, wie er es wollte, dann
Kriegst du von mir - den Catullischen Spatz!

XI.24

Während ich dich nach Hause begleite,
zuhöre, während du laberst, Labullus,
lobe, was du sagst und was du tust -
wie viele Verse hätten entstehen können!
Scheint es dir kein Verlust, wenn das,
was Rom liest, was Fremde hier suchen,
der Ritter beachtet, der Senator besitzt,
der Rechtsanwalt billigt, der Dichter zur Hand nimmt,
verloren geht nur wegen dir? – Stimmt das, Labullus?
Kann man das dulden? Nur damit du mehr
Klienten hast, schreib ich weniger Bücher?
In fast dreißig Tagen ist kaum
eine einzige Seite entstanden! - Hm, so geht’s,
wenn ein Dichter zum Essen geladen sein will.

XI.55

Wenn Lupus dich auffordert, Urbicus, Vater zu werden,
glaube ihm nicht - denn nichts wünscht er weniger.
Eine Kunst ist zu kriegen, was partout nicht zu wollen man vorgibt.
Er wünscht insgeheim, dass du lässt, worum er dich bittet.
Wenn deine Cosconia sagt, sie sei schwanger,
dann wird Lupus blass, als begänne schon die Geburt.
Beherzige scheinbar den freundlichen Rat und
stirb - aber so, dass er meint, du hast Nachwuchs.

XI.60

Ob Carmen oder Ernestine besser ist im Bett?
Die Schönere ist Ernestine, doch Carmen hat da was,
eine Stelle, die dem Priamus aufhilft,
die den alten Pelias verjüngt.
Eine Stelle, die man seinem Mädchen wünscht,
um die sich Ärzte kümmern können, Ärztinnen - nicht.
Ernestine aber fühlt nichts und und man hört nichts,
so als sei sie steinern oder gar nicht da.
Götter, dürfte man um so was Großes bitten, und
wolltet ihr so Wertvolles gewähren,
dann würdet ihr der Ernestine Körper
Carmen geben - und Ernestine Carmens Stelle.

XI.62

Lesbia schwört, dass es Sex mit ihr niemals gratis gab.
Das ist durchaus wahr. - Sie zahlt immer, wenn sie Sex hat.

XI.68

Du willst nur wenig von den Reichen. Auch das wollen sie nicht geben.
Damit du dich nicht so schämen musst, bitte, Matho, sie um viel.

XI.79

Weil ich bloß zum ersten Stein kam bis um vier,
klagt man krimineller Langsamkeit mich an.
Da gib dir selbst Schuld, nicht der Straße, noch mir!
Denn schließlich, Paetus, waren die Mulis von dir.

XI.102

Es stimmt, dass du einen hübschen Körper hast,
(wenn auch kein ebensolches Gesicht,)
Lydia, sofern du schweigst und stumm dich hinlegst,
als Stilleben, auf Leinwand oder in Wachs.
Sprechend büßt du, Lydia, den schönen Körper ein,
denn niemand litt an seiner Zunge je mehr.
Pass auf, dass dich die Polizei nicht hört und sieht:
Sprechende Bilder sind hier nicht erlaubt.

XII.3

Was für Rufus, Horaz und den hochgelobten Vergil
Maecenas war, der Ritter aus altem Königsgeschlecht,
das warst du, Terentius Priscus, mir; so wird dereinst
vergilbtes Papier und geschwätzige Fama der Welt berichten.
Du machst was aus Begabung, wenn's aussieht, als könne ich was;
du gibst mir das Recht zu meiner mir angeborenen Faulheit.

XII.7

Wenn Ligeia so viele Jahre alt ist, wie sie
Haare am Kopf hat, ist sie ein Dreikäsehoch.

XII.40

Du lügst und ich glaub’s. Du dichtest Mist und ich klatsche.
Du singst, ich singe, Pontilianus. Du säufst, ich sauf’ mit.
Du lässt einen fahren, ich hab’s nicht gehört. Du spielst, ich verliere.
Das Eine tust du alleine: ich schweig’ wie ein Grab. -
Aber du tust nix für mich! – „Wenn ich mal sterbe“, versprichst du,
„werd’ ich dich reich beschenken.“ – Ich will nix! Stirb einfach so!

epigrammaton liber 7

So wie Prometheus am skythischen Felsen
Gefesselt den Vogel am Leib weiden ließ,
bot Laureolus, nicht zu Unrecht am Kreuz,
dem kaledonischen Bären sein Innerstes dar. -
Noch tropften die Glieder, zuckten Gelenke,
doch Körper war dieser Leib nirgendwo mehr. -
Am Ende ereilte ihn Strafe. Hat etwa dem Vater,
dem Herrn er mit scharfem Dolch die Kehle durchtrennt?
Im Wahn aus dem Tempel verborgenes Gold weggeholt?
Oder brausende Fackeln gelegt an dich, unser Rom?
Übertroffen hat er altüberlieferten Frevel
Und büsste Strafe aus einer anderen Zeit.